CDU-Vorstand lässt Jungherr fallen
Die Parteispitze votiert  für den Fraktionsvorsitzenden Etzrodt als Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl. Von Bernhard Biener


BAD HOMBURG. Der Vorstand der Bad Homburger CDU hat sich am Donnerstagabend dafür ausgesprochen, den Parteimitgliedern Alfred Etzrodt als Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl vorzuschlagen. Die Empfehlung für den 63 Jahre alten Vorsitzenden der Stadtverordnetenfraktion fiel mit sieben zu drei Stimmen deutlich aus. Es war zugleich eine Entscheidung gegen die christdemokratische Oberbürgermeisterin Ursula Jungherr, die sich weiterhin für eine zweite Amtszeit bewirbt.


Lange hatte Jungherr mit einer offiziellen Erklärung ihrer Absichten gewartet, und bis dahin galt nach außen die Parole: Wenn die 62 Jahre alte Amtsinhaberin wieder antritt, wird sie auch unterstützt. Noch vor einem Jahr hatte der neu gewählte Parteivorsitzende Thorsten Bartsch "keine Alternative" zu Jungherr gesehen. Warum sich dies geändert hat, ließ Bartsch gestern auf Anfrage offen: Die Gründe wolle der Vorstand den Mitgliedern auf dem Parteitag am 11. Dezember darlegen. Die Entscheidung am Donnerstagabend sei das Ergebnis einer "langen und sachlichen Diskussion". Jungherrs Herausforderer Etzrodt sah sich nach seinen Worten durch Gespräche in Partei und Fraktion ermutigt, "für die Zukunft bessere Alternativen" zu bieten. Jungherr habe ihre Sache gut gemacht, doch ein Wechsel sei sinnvoll. Der CDU-Fraktionschef vermisst Kommunikation und Transparenz, etwa bei strittigen Fragen wie dem Standort für die Pestalozzischule am Bommersheimer Weg, gegen den sich eine Bürgerinitiative wehrt. Das Gelände sei erste Wahl, versicherte Etzrodt. Aber wenn juristische Hürden jahrelange Verfahren erwarten ließen, wolle er lieber über eine Alternative nachdenken, als die Schüler im Container unterzubringen. Auch in anderen Fragen der Stadtentwicklung erkenne er einen "Entwicklungsstau". Die Bebauung des Bornbergs etwa müsse schneller vorangetrieben werden. Bei der Besetzung des Bürgermeisterpostens wolle er einen weiteren Fehlschlag vermeiden, indem ein künftiger Kandidat möglichst auch von anderen Fraktionen unterstützt werde.

Etzrodt stammt aus Isny im Allgäu und kam 1987 nach Bad Homburg, um dort die Leitung der Frauenklinik am Krankenhaus zu übernehmen. Mehr als 6000 Kindern, so schätzt er, hat er seither persönlich auf die Welt verholfen. Für die vergangene Kommunalwahl ließ er sich erstmals für die CDU aufstellen. Obwohl politisch ein unbeschriebenes Blatt, kumulierten ihn die Wähler von Platz 23 auf Platz zwei. Nur Stadtverordnetenvorsteher Franz Josef Ament (CDU) bekam mehr Stimmen. Im August übernahm Etzrodt überraschend den Fraktionsvorsitz, als Robert Gaertner aus familiären Gründen das Amt niederlegte.

Das letzte Wort haben jetzt die Mitglieder, die Jungherr mit Arbeit an der Basis überzeugen will. "Bis zum 17. September bin ich voll im Dienst, und für die Zeit danach kämpfe ich", sagte die Oberbürgermeisterin gestern. Sie wolle Projekte wie die Umwandlung des Bahnhofs in ein Schmuckstück, die Modernisierung des Kurhauses oder die Neugestaltung der Louisenstraße abschließen. In schwieriger Zeit habe sie gute Arbeit leisten müssen, da ihr mangels Bürgermeister über Jahre hinweg hauptamtliche Unterstützung im Magistrat gefehlt habe. Nach jetzigem Stand bleibt der CDU in Bad Homburg ein Machtkampf erspart, der sie wirklich in Gefahr bringen könnte: Sowohl Jungherr als auch Etzrodt schlossen gestern aus, sich bei einem Scheitern am 11. Dezember als unabhängige Bewerber der Direktwahl zu stellen.

Obwohl in den vergangenen Wochen Gerüchte über eine Bewerbung Etzrodts aufgekommen waren, zeigten sich Vertreter der übrigen Fraktionen vom Vorstandsbeschluss der Union doch überrascht. Darin könne man angesichts des Alters nicht gerade einen Generationswechsel erkennen, sagte die SPD-Vorsitzende Elke Barth. Immerhin habe sich der CDU-Fraktionschef im Vergleich zu seinem Vorgänger als angenehmerer Gesprächspartner erwiesen. Die SPD wolle über einen eigenen Kandidaten erst nach der Landtagswahl im Januar entscheiden, sagte Barth.

Die Parteivorsitzende des CDU-Koalitionspartners FDP, Sybille Raquet, kündigte einen eigenen Kandidaten der Liberalen für die Oberbürgermeisterwahl am 26. April an. Das habe der Vorstand beschlossen. Einen Namen mochte sie nicht nennen.

Ebenfalls im Januar wollen die Grünen nach Worten der Fraktionsvorsitzenden Daniela Kraft über Bewerber befinden. Die Bürgerliste Bad Homburg (BLB) würde gerne einen gemeinsamen, überparteilichen Kandidaten der Opposition unterstützen, sagte die Fraktionschefin Beate Fleige. Einen eigenen werde die BLB nicht aufstellen. Fleige selbst, die schon zweimal zur Direktwahl angetreten ist, wird nicht dabei sein. Sie ist bis zur Wahl 67 Jahre alt und fällt daher unter die vom Gesetz vorgegebene Altersgrenze.


Text: F.A.Z., 22.11.2008, Nr. 274 / Seite 65